Kreative Denkmalschützer retten einen Lost Place

am
Grandhotel Waldlust

Etwas unheimlich wirkt es schon, das Grandhotel Waldlust in Freudenstadt.

Einsam und verlassen, vorbei der Ruhm der 1920er Jahre, kein Tummelplatz mehr für Hochadel, High Society und Schauspieler. Der Lack ist ab, der Putz bröckelt.

Wir stehen vor dem wenig einladenden Eingang. 

Ein älterer Herr hinkt um die Ecke. Ein etwas zu großes, braun kariertes Sakko schlottert an dem kleinen Mann. 

„Zur Führung?“, murmelt er und rückt die Hornbrille zurecht.

Wir nicken. 

„Karl- Heinz Lammel, ich bin von den Denkmalfreunden.“

Wir folgen ihm in die Hotellobby. Die Rezeption in braunem Schleiflack wirkt, als könnten wir gleich einchecken. An der Wand ein Holzkasten, darin baumeln Zimmerschlüssel an klobigen Messinganhängern.

Herr Lammel erzählt uns, dass der Denkmalverein viel ehrenamtlicheres Engagement investiert, um das Haus vor dem kompletten Verfall zu bewahren. 

Die finanziellen Mittel sind knapp. Der aktuelle Besitzer hat das Hotel 2004 erworben, kümmert sich aber nicht darum. Die letzten Pächter hatten sich 2005 in einer Nacht- und Nebelaktion davon gemacht. Das Gebäude steht zum Verkauf, doch niemand will in das marode Haus mit Denkmalauflagen investieren.

Der alte Mann seufzt. „Ja, das Dach“. Daran arbeiten sie ständig, denn wenn das Dach kaputt ist, verfällt das ganze Haus. 

„Dabei“, er dreht sich mit ausgestrecktem Arm herum, „war das mal ein richtiger Luxuspalast.“

Unsere Blicke fallen auf einen Biertisch mit dreckigen Tellern und leeren Flaschen. 

„Sie müssen entschuldigen. Das ist noch von der letzten Filmcrew. Wir haben noch nicht aufgeräumt.“ 

Filmcrew?

„Ja“, nickt Lammel, „wir vermieten hier öfter an Filmcrews, von Horrorfilmen bis zum Tatort. Auch Fotographen nutzen das besondere Ambiente für ihre Kunst. Das ist kostenpflichtig, im Gegensatz zu dieser Gratis- Führung. Aber über Spenden freuen wir uns natürlich.“

Wir folgen ihm in die American Bar. Glanz, Glitzer, roter Samt. Wie opulent! 

Weiter geht es in den Ballsaal. Unglaublich, als sei die Zeit stehen geblieben und livrierte Kellner würden gleich um die Ecke biegen. Das ist doch kein Lost Place, oder? 

Dann betreten wir einen düsteren Erker. In der Mitte, auf staubigem Boden, ein grünes Samt- Sofa, kurz darauf eine Liege, die Fenster mit Brettern vernagelt. Immer mehr Verfall, je weiter wir ins Gebäude vordringen.

Grandhotel Waldlust

Was war mit Adele B., wollen wir wissen.

 „Ja, Adele“, seufzt der Denkmalschützer. „Sie hat das Hotel in den dreißiger Jahren geführt, soll in ihrem Zimmer ermordet worden sein und seither als Geist ihr Unwesen treiben. Die letzten Angestellten haben von gruseligen Erscheinungen berichtet. Wir hatten Forscher da, die paranormale Aktivitäten überprüft haben, aber ohne Ergebnis.“

Er öffnet die Aufzugstür: Ein graues Gespenst fliegt uns entgegen. Wir schreien auf.

Gespenst im Hotel Waldlust

„Ein Filmeffekt. Den haben sie uns dagelassen.“, lacht Lammel.

In der kostenlosen Führung ist es nicht inkludiert, aber bei der kostenpflichtigen Foto Tour kann man auch das berüchtigte „Mordzimmer 434“ besichtigen.

Mittlerweile sind wir im ersten Stock angelangt. Die maroden Dielen knarren unter unseren Schritten.

Treppenhaus Waldlust

„Wir bemühen uns, das Hotel so artgerecht und sinnvoll wie möglich zu nutzen. Seien es Ausstellungen oder Veranstaltungen wie Tanztee mit Oberkellner Leopold.“

Jeder dadurch verdiente Cent fließt wieder in die Renovierung des Gebäudes. 

In einer Suite kann man sogar übernachten. Das Bad ist renoviert. Licht, Strom, Heizung, alles funktioniert. 

„Sie können sich eine Nacht lang einschließen und wir servieren Ihnen am nächsten Morgen ein Pensionsfrühstück.“ Lammel grinst. „Wenn Sie es aushalten.“

„Gestandene Männer haben es ausprobiert, dann die Nerven verloren, das Hotel mitten in der Nacht verlassen und lieber in ihren Autos übernachtet.“

Besichtigungstouren oder kostenpflichtige Fototouren können über die Website www.waldlust-denkmal.de gebucht, Übernachtungen per E- Mail angefragt werden.

Susi sichtet die Buchungsordner

Eine Reportage, zuerst erschienen als Einsendeaufgabe zu meinem Autorenstudium, SACH09

Werbung

Ein Kommentar Gib deinen ab

  1. war letztes Jahr auch dort ! Sehr schön anzusehen und zu fotografieren !

    Gefällt 1 Person

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..